Mit Beginn des neuen Jahres 2015 erhält Deutschland zu ersten Mal einen allgemein verbindlichen Mindestlohn – und damit als eines der letzten europäischen Länder überhaupt. Arbeitgeber sind nun verpflichtet, ihren Angestellten nicht weniger als 8,50 Euro pro Arbeitsstunde zu bezahlen. Nach Berechnungen der Bundesregierung werden von der neuen Regelung des Tarifautonomiestärkungsgesetz, so der etwas sperrige Name des Gesetzes, etwa 3,7 Millionen Menschen profitieren, die bisher einen geringeren Stundenlohn erhalten. Zukünftig wird der Mindestlohn durch eine Kommission aus Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern in regelmäßigen Zeitabständen an die allgemeine Lohnentwicklung in Deutschland angepasst werden.
Mindestlohn gilt auch für Bulgaren
Grundsätzlich gilt der Mindestlohn für alle in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer, also auch für solche ohne einen deutschen Pass. Aber auch Arbeitnehmer, die für eine ausländische Firma arbeiten, müssen den Mindestlohn erhalten, wenn sie in im Rahmen einer Arbeitnehmerentsendung Deutschland eingesetzt werden. Hierunter fallen beispielsweise bulgarische Arbeitnehmer, die im Rahmen eines Werkvertrags nach Deutschland geschickt werden, um dort eine Arbeitsleistung zu erbringen.
Praxis ist durch Arbeitnehmerentsendegesetz bekannt
Für zahlreiche Branchen besteht de-facto bereits ein Mindestlohn über das Arbeitnehmerentsendegesetz, das 1996 eingeführt und 2009 grundlegend überarbeitet wurde.
Im Arbeitnehmerentsendegesetz werden für folgende Branchen Mindestlohnbedingungen aufgeführt:
- Bauhauptgewerbe und Baunebengewerbe
- Gebäudereinigung
- Briefdienstleistungen
- Sicherheitsdienstleistungen
- Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken
- Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft
- Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und
- Winterdienst
- Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch
- Schlachten und Fleischverarbeitung
- Pflegebranche (ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen)
Diese binden auch ausländische Unternehmen, wenn sie in Deutschland aktiv werden. Wie der Name des Gesetzes es schon andeutet, hatte es bei seiner Einführung die Zielsetzung, ausländische Billigkonkurrenz zu verhindern.
Haftung für Arbeitgeber und Auftraggeber
Nicht nur Arbeitgeber riskieren empfindliche Bußgelder, wenn sie gegen das Mindestlohngesetz verstoßen. Auch Unternehmen können haftbar gemacht werden, wenn ein Subunternehmer, der einen Werkvertrag ausführt, Gehälter unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns zahlt.
Die Verstöße sind deutlich höher als beispielsweise Verstöße im Arbeitszeitengesetz (hier beläuft sich die Höchstbuße auf 15000 Euro): Der Zoll kann bei Verstößen gegen das Mindestlohngesetz eine Höchstbuße von 500.000 Euro verlangen – als Ordnungswidrigkeit, pro Verstoß. Firma sollten sich hier absichern und einen Befreiungsanspruch mit Subunternehmer vereinbaren.
Update 26. Januar 2015: Protest ausländischer Spediteure
Der Mindestlohn „wirkt“ – aber nicht immer so, wie es sich der deutsche Gesetzesgeber gewünscht hat. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertag haben gegen die Praxis, dass der Mindestlohn auch für ausländische Speditionsunternehmen gilt, bereits einige Regierungen protestiert.
Diese müssen ihren Fahrern den Mindestlohn auch dann bezahlen, wenn Lastkraftwagen eine internationale Route bedienen und in Deutschland weder zu- noch abladen, es also als Transitland nutzen. Für die Zeit, die auf deutschem Hoheitsgebiet verbracht wird, fallen die 8,50 Euro an Mindestlohn an, was insbesondere im Fall der osteuropäischen Fahrer deutlich über dem dort üblichen Gehaltsniveau liegt.
Polen, Großbritannien, einiger baltischer Staaten, Ungarns und Rumänien möchten das nicht hinnehmen, und weitere Staaten könnten sich dem anschließen. Die Länder argumentieren, dass Deutschland mit der Einführung der neuen Vorschrift eine neue nicht-tarifäre Hürde errichtet habe, die so mit den Regeln des Binnenmarkts unvereinbar sei. Zudem würden durch die umfangreichen Protokollpflichten und deren Weiterleitung an die deutschen Zollbehörden Datenschutzregelungen in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten verletzt.