Die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union hat die Arbeitsmärkte verändert und ermöglicht es den Bürgern, für Arbeit dorthin zu ziehen, wo sie die besten Chancen sehen. Doch für Länder wie Bulgarien birgt diese Mobilität eine doppelte Herausforderung: den Brain Drain, also den Verlust von qualifizierten Arbeitskräften, und das Potenzial für Brain Gain, die Rückkehr von Talenten und Wissen. Seit dem EU-Beitritt im Jahr 2007 hat die Arbeitskräftewanderung das Land tiefgreifend beeinflusst und zählt zu den größten sozioökonomischen Herausforderungen.
Das Phänomen Brain Drain in Bulgarien
Bulgarien ist eine der am stärksten vom Brain Drain betroffenen Regionen weltweit. Seit 1990 hat das Land rund 22 Prozent seiner Bevölkerung verloren, und Prognosen deuten auf einen weiteren Rückgang um 23 Prozent bis 2050 hin. Die Bevölkerung ist seit 1989 um über eine Million Menschen geschrumpft, von 7,9 Millionen auf 6,4 Millionen im Jahr 2024. Dieser Rückgang spiegelt sich auch in der jährlichen Bevölkerungsveränderungsrate wider: Wie in Grafik 1 dargestellt, ist diese Rate seit Mitte der 1980er Jahre negativ (1985: -0,08%) und erreichte ihren Tiefpunkt mit -1,21% um das Jahr 1993/1994. Auch 2024 liegt sie noch bei -0,61%, für 2025 wird eine Rate zwischen -0,6% und -0,83% prognostiziert, und bis 2050 wird sie mit -0,89% weiter negativ bleiben. Diese Entwicklung wird maßgeblich durch niedrige Geburtenraten, hohe Sterberaten und vor allem durch die Abwanderung getrieben.
Ursachen der Migration: Der Sog des Westens und interne Probleme
Die Hauptursachen für die Emigration liegen in den erheblichen wirtschaftlichen Disparitäten innerhalb der EU. Bulgaren verlassen ihr Land auf der Suche nach höheren Löhnen, besserer Arbeitsplatzsicherheit und verbesserten Lebensbedingungen im westlichen Europa. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf hat sich zwar von 1.625 US-Dollar im Jahr 2000 auf 17.588 US-Dollar im Jahr 2024 erhöht und wird bis 2030 auf 24.894 US-Dollar prognostiziert, doch die absolute Höhe bleibt im EU-Vergleich attraktiv für Abwanderung.
Die Möglichkeit, für die gleiche Arbeit doppelt so viel zu verdienen, oder sogar für geringer qualifizierte Arbeit mehr zu bekommen, ist ein starker Anreiz. Hinzu kommen interne Probleme wie Korruption, schwache öffentliche Dienste, mangelnde Meritokratie, eine schlechte Work-Life-Balance, fehlende berufliche Weiterbildung und veraltete Arbeitsplatzkulturen, die junge Menschen zur Abwanderung bewegen.
Auswirkungen: Fachkräftemangel und Belastung für die Wirtschaft
Die Auswirkungen des Brain Drain auf Bulgarien sind gravierend: Er führt zu einem Rückgang des Humankapitals, bremst das Wirtschaftswachstum und verringert die Produktivität sowie die Steuereinnahmen. Besonders hart trifft es bestimmte Sektoren: Das Gesundheitswesen ist stark betroffen, mit einem Rückgang der Ärzte von 35.000 auf 28.000 bis 2017. Seit 2007 haben über 15.000 bulgarische Ärzte und 20.000 Krankenschwestern das Land verlassen, da ein Arzt in Deutschland das 5- bis 6-Fache eines bulgarischen Kollegen verdienen kann. Auch der IT-Sektor leidet unter dem Verlust qualifizierter Arbeitskräfte, die in Länder mit besseren Gehältern und Karrieremöglichkeiten abwandern. Insgesamt wird der bulgarischen Wirtschaft bis 2017 ein Mangel von rund 400.000 qualifizierten Arbeitskräften prognostiziert. Dies führt zu einem Mangel an Fachkräften im Bauwesen, Gesundheitswesen, Bildung und Ingenieurwesen.
Profiteur Deutschland: Der „Wohlstandstransfer“
Deutschland profitiert stark von dieser Entwicklung: Es ist das bevorzugte Zielland für bulgarische Migranten. Im Jahr 2024 lebten allein in Deutschland 371.128 bulgarische Staatsbürger, gefolgt von Spanien (112.834) und den Niederlanden (60.494), was die Verteilung in der EU klar aufzeigt.
Viele von ihnen sind überdurchschnittlich gut ausgebildet. Deutschland verzeichnet insgesamt 8,9 Millionen zugewanderte Erwerbstätige. Die Zuwanderung aus osteuropäischen Ländern hat den demografischen Wandel in Deutschland gebremst und zur Fachkräftesicherung beigetragen. Ohne Ärzte aus Osteuropa gäbe es in bestimmten Regionen Deutschlands gar keine medizinische Versorgung mehr. Diese Entwicklung wird oft als „Wohlstandstransfer“ bezeichnet, da Länder wie Deutschland Arbeitskräfte erhalten, in deren Ausbildung sie nicht investieren mussten.
Das Potenzial des Brain Gain für Bulgarien
Trotz der Herausforderungen birgt die Arbeitskräftewanderung auch Chancen für Bulgarien, insbesondere durch den Brain Gain. Dieser kann auf verschiedene Weisen erfolgen: durch die Rückkehr von Bulgaren, die im Ausland neue Fähigkeiten und Wissen erworben haben, oder durch den Transfer von Wissen und Kapital durch die bulgarische Diaspora.
Tatsächlich zeigt sich eine steigende Tendenz zur Rückkehr nach Bulgarien, die insbesondere während der COVID-19-Pandemie zugenommen hat. Daten des National Statistical Institute (NSI) bestätigen einen stetigen Anstieg der Rückkehrer im letzten Jahrzehnt. Bulgarien weist einen hohen Anteil an Zuwanderern auf, die eigene Staatsangehörige sind, was auf eine signifikante Rückkehrmobilität hindeutet. Diese Rückkehrer können neues Wissen, Fähigkeiten und Innovationen in das Land bringen, Netzwerke aufbauen und internationale Kontakte herstellen. Ein wichtiger Aspekt des Kapitaltransfers sind die Rücküberweisungen: Wie in Grafik 5 dargestellt, flossenzwischen 2014 und 2024 jährlich zwischen rund 115 Millionen US-Dollar (im Jahr 2015) und über 420 Millionen US-Dollar (im Jahr 2024)von bulgarischen Migranten nach Bulgarien. Dabei zeigt sich ein signifikanter Anstieg, mit dem Höchstwert im Jahr 2024.
Beispiele erfolgreicher Rückkehrer oder Initiativen, die den Brain Gain fördern, sind entscheidend.
Strategien zur Förderung des Brain Gain
Um den Brain Drain zu minimieren und das Potenzial des Brain Gain voll auszuschöpfen, sind gezielte Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich.
Die bulgarische Regierung hat begonnen, Strategien zu entwickeln, die auf die Rückkehr ihrer Bürger abzielen. Die Nationale Migrationsstrategie der Republik Bulgarien (2021-2025) sieht Programme zur Unterstützung von Rückkehrern vor und fördert Kampagnen, die zur Rückkehr ermutigen sollen. Dazu gehören finanzielle Anreize, Unterstützung bei der Jobsuche und Integration sowie die Förderung von Unternehmensgründungen durch Rückkehrer. Ein Schlüsselelement ist auch die Verleihung der bulgarischen Staatsbürgerschaft basierend auf der Abstammung, um die Bindung zur Diaspora zu stärken.
Wichtig ist auch, die Verbindungen zur bulgarischen Diaspora zu stärken, um Wissensaustausch und ausländische Investitionen zu fördern. Auf breiter Ebene müssen die Arbeitsbedingungen und Gehälter im Inland verbessert werden. Investitionen in Bildung und Forschung sowie die Bekämpfung von Korruption und die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sind ebenfalls unerlässlich, um das Land attraktiver zu machen. Die EU-Kohäsionspolitik spielt hier eine wichtige Rolle, um wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten zwischen den Regionen zu verringern.
Fazit und Ausblick
Bulgarien steht vor der komplexen Aufgabe, den anhaltenden Brain Drain einzudämmen und gleichzeitig das Potenzial der Rückkehrmigration zu nutzen. Das Phänomen des Brain Drain ist direkt auf die bestehenden sozioökonomischen Ungleichgewichte innerhalb der EU zurückzuführen, und obwohl die EU-Institutionen Mechanismen zur Verringerung dieser Disparitäten eingeführt haben, waren diese bisher nur teilweise wirksam.
Ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl Maßnahmen zur Eindämmung des Brain Drain als auch zur Förderung des Brain Gain umfasst, ist entscheidend. Dies erfordert die Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft, Bildungssystem und Zivilgesellschaft in Bulgarien sowie einen Dialog zwischen den Einwanderungs- und Auswanderungsländern. Auch wenn der Brain Drain von Ärzten derzeit kein drängendes Problem ist, könnten in Zukunft innovative Finanzierungsansätze in Betracht gezogen werden, falls Engpässe in Schlüsselberufen auftreten.
Die Rückkehrmobilität könnte eine mögliche Lösung für die demografische Krise Bulgariens sein, obwohl sie seit 2020 abgenommen hat. Mit gezielten politischen Interventionen kann Bulgarien die Vorteile der Migration weiter verbessern und die Risiken reduzieren. Das Land hat das Potenzial, den Brain Drain zu minimieren und vom Brain Gain zu profitieren, wenn es gelingt, attraktive Perspektiven im eigenen Land zu schaffen und die Verbindungen zu seiner im Ausland lebenden Bevölkerung zu stärken.
Die Arbeitslosigkeit in Bulgarien bleibt auch im Jahr 2023 ein großes Problem. Obwohl die Wirtschaft des Landes in den letzten Jahren langsam gewachsen ist, hat die COVID-19-Pandemie dazu geführt, dass viele Unternehmen geschlossen wurden und die Arbeitslosigkeit weiter gestiegen ist.
Lage hat sich im letzten Jahr verbessert
Im März 2023 wird die Arbeitslosenquote in Bulgarien voraussichtlich bei etwa 3,7 Prozent liegen (verglichen mit 4,5 Prozent im März 2022), so die aktuellen Zahlen der europäischen Statistikbehörde EUROSTAT. Obwohl dies im Vergleich zu anderen Ländern der EU nicht sehr hoch ist, ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen besorgniserregend. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, einen Job zu finden, insbesondere in ländlichen Gebieten und in Gebieten mit geringerer Wirtschaftsentwicklung.
Es gibt jedoch auch positive Entwicklungen. Die bulgarische Regierung hat verschiedene Initiativen gestartet, um die Beschäftigung zu fördern, einschließlich der Förderung von Start-up-Unternehmen und der Schaffung von Anreizen für Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen. Es wurden auch Programme zur Weiterbildung und Umschulung aufgelegt, um die Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitslosen zu verbessern.
Die Regierung setzt sich auch für die Entwicklung der Infrastruktur ein, insbesondere in abgelegenen Regionen, um die Schaffung von Arbeitsplätzen in diesen Gebieten zu erleichtern. Ein weiterer wichtiger Schritt besteht darin, die Investitionen in den Technologie- und Dienstleistungssektor zu erhöhen, da diese Branchen ein hohes Wachstumspotenzial aufweisen.
Zentren mit Sofia nahezu Vollbeschäftigung
In den großen Boomregionen, zuvordert in der Hauptstadt Sofia, aber auch in Plovdiv, Burgas oder Varna, ist die Arbeitslosigkeit kein größeres Problem. Bei qualifizierten Arbeitnehmern besteht nahezu Vollbeschäftigung. Gerade in Sofia mit seiner aufstrebenden IT-Wirtschaft und in Plovdiv mit einer starken industriellen Basis herrscht ein weitverbreiteter Fachkräftemangel.
Das Jahr 2019 neigt
sich dem Ende zu. Ein guter Zeitpunkt, um die Entwicklung der
Arbeitslosigkeit in Bulgarien über die letzten Jahre einmal zu
analysieren und einen Ausblick für 2020 (und darüber hinaus) zu
wagen.
Im dritten Quartal
2019 konnten für den bulgarischen Arbeitsmarkt folgende Werte
errechnet werden, Quelle ist für alle Werte das Nationale
Statistische Institut (NSI):
In der Altersgruppe
15 bis 64 Jahre gingen 71,4% einer Beschäftigung nach, eine Zunahme
um 2,6 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahresquartal
Die
Beschäftigungsrate lässt sich noch genauer nach Altersgruppe und
Geschlecht gliedern:
15 – 29 Jahre: 44,1 Prozent (49,2 für Männer, 38,8 Prozent für Frauen)
20-64 Jahre: 76,3 Prozent (80,9 Prozent für Männer, 71,7 Prozent für Frauen)
55 – 64 Jahre: 65,1 Prozent (70,1 für Männer, 60,4 Prozent für Frauen)
Entwicklung der
Arbeitslosigkeit
Im dritten Quartal
2019 wurden 125.400 Arbeitslose gezählt, aufgeteilt in 70.900 Männer
und 54.500 Frauen. Die Arbeitslosenquote betrug 3,7 Prozent (Männer:
3,8 Prozent, Frauen 3,4 Prozent), ein Rückgang um 1,3 Prozentpunkte
gegenüber dem Vorjahreswert.
Unter allen Arbeitslosen hatten 14,8 Prozent eine tertiäre Ausbildung, 44,7 Prozent eine höhere Sekundäre und 40,5 Prozent eine niedrige Sekundäre Ausbildung.
Die Anzahl der Langzeitarbeitslosen (länger als ein Jahr ohne Beschäftigung) betrug 78.400.
Die Jugendarbeitslosigkeit (15 bis 29 Jahre) betrug 6,1 Prozent, ein Rückgang um 2,1 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr.
Langfristige Entwicklung am Arbeitsmarkt
In folgender Grafik kann man die seit 2013 kontinuierliche Abwärtsbewegung der Arbeitslosigkeit in Bulgarien erkennen.
Mussten 2012 noch eine Arbeitslosenquote von 12,3 Prozent festgestellt werden, die im Folgejahr auf 12,9 Prozent anstieg, so kennt die Arbeitslosenquote seitdem nur eine Richtung: Nach unten. Und das in einem atemberaubenden Tempo: Zuletzt von 2017 auf 2018 um einen Prozentpunkt, im „Rekordjahr“ 2014 bis 2015 waren es sogar 2,3 Punkte.
Für 2019 gehen wir – auf Basis der letzten Werte für das Quartal III – von einem erneuten Rückgang um mindestens einen Prozentpunkt aus, womit sich ein Jahreswert für 2019 von etwa vier Prozent ergeben könnte.
Für 2020 ist jedoch nicht mehr mit einem vergleichbaren Rückgang zu rechnen, da in den wirtschaftlichen Zentren, die in den letzten Jahren für den Rückgang der Arbeitslosigkeit ausschlaggebend waren, praktisch bereits Vollbeschäftigung herrscht und hier keine Impulse mehr zu erwarten sind.
Auch die unsichere Weltwirtschaftslage, die auch ein Grund für die stark rückläufigen Auslandsinvestitionen in Bulgarien sind, verhindern die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Und zuletzt sei noch auf den fortschreitenden Verlust von Fachkräften hingewiesen, die zeitweise oder langfristig nach West- und Nordeuropa abwandern.
Balkaninvest-Statement zur Arbeislosigkeit in Bulgarien
Die Vollbeschäftigung ist regional und sektoral bereits erreicht. Hierzu unser Geschäftsführer:
Der rasante Rückgang der Arbeitslosigkeit in Bulgarien wird 2020 merklich abgebremst. Trotzdem können dann wir eine Arbeitslosenquote von unter vier Prozent sehen.
Regional und sektoral darf man bereits von einer Vollbeschäftigung sprechen, so dass hier keine weiteren Reduzierung von Arbeitslosigkeit möglich ist. Die expansive Sozialpolitik Bulgariens trägt zudem dazu bei, dass die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit ansteigt – der Druck, sich zeitnah eine neue Beschäftigung zu suchen, hat in den letzten Jahren durch höhere Transferleistungen abgenommen.
Dieser massive Rückgang der Arbeitslosigkeit in Bulgarien hat den Nebeneffekt, dass Ansiedlungen von Großinvestitionen schwieriger geworden, da der Fachkräftemangel landesweit spürbar ist. In Sofia beispielsweise gibt es bei qualifizierten Arbeitnehmern praktische keine Arbeitslosigkeit mehr, was die Personalsuche erschwert und das sich auch auf das Lohnniveau auswirkt.
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Zwischen Österreich und Bulgarien besteht schon seit vielen Jahren eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit. Nach den Niederlanden stellt es den zweitgrößten Investor in Bulgarien dar und wird in den nächsten Jahren auch weiter investieren. Das Team von Balkaninvest hat ein ausführliches Gespräch mit der Wirtschaftsdelegierten für Österreich, Ulrike Straka, geführt, die nun schon seit eineinhalb Jahren im Außenwirtschaftscenter Sofia der WKO tätig ist. Die WKO informiert und unterstützt österreichische Unternehmen bei der Kontaktaufnahme zu potenziellen Geschäftspartnern oder beim Aufbau und der Erweiterung eines Standortes. Weiters wird der Schwerpunkt auf den Austausch der hier tätigen Unternehmen auf diversen Veranstaltungen gefördert.
Österreich investiert, aber wo?
Mit dem Wirtschaftsboom Anfang 2000 begannen viele österreichische Unternehmen, sich für das aufstrebende Bulgarien zu interessieren. Viele setzten große Hoffnungen in das Land, lockt es doch mit einem Bild als attraktiver Produktionsstandort. Heute ist die Bandbreite an Branchen, in denen österreichische Unternehmen vorrangig vertreten sind, groß. Man findet hier vor allem Banken, Dienstleistungsunternehmen, Baufirmen und Mobilnetzbetreiber mit österreichischer Verbindung.
Seit der Wirtschaftskrise und dem Platzen der Immobilienblase in 2008/2009 waren viele auch im Immobilienbereich tätig, laut Straka ziehen sich die Investoren hier allerdings zurück. Außerdem kämen grundsätzlich weniger neue Firmen nach Bulgarien, einzig die Automobilindustrie ziehe auch neue Interessenten an Land. Trotzdem zeigt sich die Wirtschaftsdelegierte für die zukünftige Entwicklung des Landes als positiv eingestellt. Schon länger in Bulgarien tätige, österreichische Unternehmen würden ihre Produktion ständig ausweiten.
Duale Ausbildung als Lösung für den Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel beschäftigt sowohl deutsche als auch österreichische Unternehmen seit Langem. Auch vor Ort in Bulgarien hätten laut Straka viele österreichische Unternehmen damit zu kämpfen. Viele der gut ausgebildeten Fachkräfte würden ins Ausland abwandern, da in Mitteleuropa die Chancen auf einen Arbeitsplatz sehr hoch seien.
Aufgrund dessen habe die WKO bereits im November 2014 ein Pilotprojekt gestartet, um eine neue Form eines Ausbildungsvertrages im Rahmen der „Dualen Ausbildung“ in Bulgarien einzuführen. Dabei sollen Auszubildende ihre Kenntnisse nicht nur in der Schule, sondern parallel dazu praxisbezogen in Unternehmen erwerben. Man erhofft sich dadurch eine höhere Nachfrage an dieser Ausbildung, sowie besser qualifizierte Fachkräfte.
Die gröbste Krise in Bulgarien ist überstanden und das Land im Osten entwickelt sich weiter. Laut Straka sind die Rahmenbedingungen für ausländische Investoren gut und niedrige Steuersätze sind ein weiteres Plus. Bulgarien und seinen österreichischen Investoren steht also im Großen und Ganzen eine interessante Zukunft bevor!
Hintergrundinformation zum Thema Auch deutsche Unternehmen starteten bereits vor einigen Jahren Pilotprojekte, um die „Duale Ausbildung“ in Bulgarien einzuführen. Waren dies bisher nur Pilotprojekte einiger weniger Unternehmen, soll diese Ausbildungsform 2016 auch im Arbeitsrecht verankert werden. Während Auszubildende früher reguläre Arbeitsverträge abschließen mussten, ist nun auch ein Vertrag über diese „Duale Ausbildung“ möglich, wobei der Zeitraum auch länger als sechs Monate sein darf. Die neue Regelung tritt mit 1.August 2016 in Kraft.
Bulgarien und Österreich pflegen seit über einem Jahrhundert eine intensive politische, wirtschaftliche aber auch kulturelle Zusammenarbeit. Vor allem österreichische Unternehmen profitieren von einem umfangreichen Know-How über den bulgarischen Markt. Nicht ohne Grund ist Österreich der zweitgrößte Investor des Landes. In der Novemberausgabe des bulgarischen Wirtschaftsblatts steht Österreich im Fokus. Wir haben einige interessante Informationen zusammengefasst und ergänzt.
Botschafter Hauser über Bulgarien als Investitionsland
Bulgarien pflege zu den deutschsprachigen Ländern Deutschland, Schweiz und Österreich sehr enge und besonders freundschaftliche Beziehungen, so Botschafter Mag. Roland Hauser gegenüber dem Wirtschaftsblatt.
Laut Hauser befinde sich Bulgarien zudem momentan in einer Phase relativer politischer Stabilität, was das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort erhöhe. Ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum, ein attraktives steuerliches Umfeld sowie sinkende Arbeitslosenzahlen überzeugen Investoren.
Handelsdelegierte Straka lobt Stabilität
Auch die Handelsdelegierte der Außenhandelsstelle in Sofia, Ulrike Straka stimmt dem zu laut ihr seien in Bulgarien nun wieder politisch stabilere Verhältnisse eingekehrt, es gäbe eine EU-freundliche Regierung – das seien gute Voraussetzungen.
Dies führt dazu, dass die bereits ansässigen österreichischen Wirtschaftsunternehmen weiterhin investieren, was ausländische Investoren anlockt.
Aber auch negative Tendenzen seitens der Regierung sind spürbar wie beispielsweise die Ablehnung des Antikorruptionsgesetzes. Trotzdem wurden in Bulgarien im Jahr 2014 direkte ausländische Investitionen aus Österreich im Umfang von 290,7 Mio. € verzeichnet. Fast 10% der größten ausländischen Investoren stellen Unternehmen aus Österreich dar. Dazu gehören TelekomAustria, EVN, UniCredit/BankAustria, Knauf, Raiffeisen, OMV, REWE/Billa, WienerStädtischeVersicherung, UNIQA, Strabag und VAE. Auch im Tourismus schlägt sich die Beliebtheit nieder. So haben 2014 174.899 österreichische Staatsangehörige Bulgarien besucht, ein Zuwachs von 39,4% gegenüber dem Vorjahr.
Bulgaren am Wirtschaftsstandort Österreich
Auch umgekehrt gibt es Interesse. Der österreichische Markt ist begehrt unter bulgarischen Unternehmern. Nicht nur das Geschäftsklima, qualifiziertes Personal und moderne Infrastruktur, auch die strategische Lage zwischen Ost und West, ausgezeichnete Lebensbedingungen sowie ein hohes Niveau an persönlicher, politischer und rechtlicher Sicherheit sowie Stabilität stellen Anreize dar.
Bulgarische Geschäftsleuten seien sehr freundlich, würden Österreich und österreichische Firmen schätzen, und hätten in der Regel großes Interesse an der Zusammenarbeit, so Straka.
Im Gegensatz zu den Österreichern wird allerdings vorgezogen ein fertiges Produkt zu importieren. Der Grund sind hohe Arbeitskosten und Steuern. Deshalb werden in Österreich hauptsächlich kleine Büros eröffnet und gleichzeitig die billigen Ressourcen in Bulgarien genutzt. Auch die weltweit bekannte bulgarische Firma Walltopia, welche für die Herstellung von Kletterwänden bekannt ist, betreibt seit drei Jahren aktiv Geschäfte in Österreich.
Laut Hauser soll in Zukunft die hervorragende Beziehung zwischen den beiden Ländern durch möglichst viele konkrete Projekte aufrecht erhalten werden. Als Beispiele nennt er die gemeinsamen Vorbereitungen auf den Ratsvorsitz der Europäischen Union, den Bulgarien und Österreich 2018/19 nacheinander ausüben, sowie das 20-jährige Jubiläum der Österreichischen Musikwochen in Bulgarien 2016.
Botschafter Mag. Roland Hauser (Quelle: Österreichische Botschaft in Sofia)
Mag. Roland Hauser legte neben einem Geschichtsstudium sowie Studium der Romanistik und Philosophie sein Diplomstudium an der Diplomatischen Akademie Wien ab. Nachdem er als österreichischer Botschafter im Staat Katar, in Kenia sowie in Kuwait tätig war ist er seit September 2014 Botschafter der Republik Österreich in Bulgarien. In der jüngsten Ausgabe des bulgarischen Wirtschaftsblatts schildert er seine durchaus positiven Eindrücke Bulgariens.
Die Statistikbehörde Eurostat hat eine aktuelle Veröffentlichung über die Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union im Mai 2014 veröffentlicht. Hieraus haben wir ein Diagramm mit den (aus bulgarischer Sicht) wichtigsten EU-Mitgliedsstaaten erstellt. Die Daten sind saisonal angeglichen, Schwankungen wie die zunehmende Beschäftigung im Frühjahr wurden also herausgerechnet, was sie leichter vergleichbar macht.
Arbeitslosigkeit in der EU im Mai 2014
Die durchschnittliche Arbeitslosenquote in der EU (Grafik: EU28) beträgt im Mai 2014 11,3 Prozent. Eurostat schätzt, dass EU-weit 25 Millionen Menschen arbeitslos waren.
Unterschiedliche Arbeitslosenraten in EU
Zu den Mitgliedsstaaten mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten zählen Österreich (4,7%) und Deutschland (5,1%), die höchsten wurden in Griechenland (26,8%) und Spanien (25,1%) festgestellt. Die aktuellsten Daten über die Arbeitslosenquote für Griechenland sind vom März 2014. Für Bulgarien wird für den Mai 2014 eine Arbeitslosenquote von 11,9 Prozent angegeben, in Zahlen sind dies 399 000 Menschen, die als arbeitslos registriert waren. Mittlere Werte zeigt Frankreich mit 10,1% oder 0,2 Punkte weniger als das durchschnittliche Niveau in der EU.
Problem Jugendarbeitslosigkeit
Die Höhe der Jugendarbeitsquote weicht in den verschiedenen Ländern von der allgemeinen Arbeitslosenquote zum Teil deutlich ab. Die Jugendarbeiterquote wird auf Basis der Grundgesamtheit aller Jugendlichen berechnet, abzüglich der Studierenden, die nicht am Markt tätig sein können. Im Mai 2014 betrug die Zahl der arbeitslosen jungen Menschen 5,187 Millionen (unter 25 Jahren) in der EU28, von denen 3.356.000 in der Eurozone lebten.
Im Vergleich zum Mai 2013 kann man einen Rückgang die Jugendarbeitslosigkeit um 464 000 in der EU28 und um 205 000 im Euroraum beobachten. Im Mai 2014 betrug die Jugendarbeitslosigkeit 22,2% in der EU28, verglichen mit 23,6% bzw. 23,9% im Mai 2013.
Im Mai 2014 wurden die niedrigsten Raten in Deutschland (7,8%), Österreich (8,9%) und die Niederlande (10,8%), und die höchsten in Griechenland (57,7% im März 2014) und Spanien (54,0%) gemessen. Am bulgarischen Arbeitsmarkt bewegt sich die Jugendarbeiterquote im Gegensatz zu der allgemeinen Arbeitslosenquote in den höheren Werten im EU-Vergleich, mit 24,6%, oder 46 000 Jugendliche, die keine Arbeitsstelle hatten. Griechenland und Spanien sind wieder auf den Top-Positionen.