Am 20. März 2012 fand in Sofia im Rahmen der Europäischen eSkills-Woche eine Konferenz unter dem Titel „Wie soll die Bildung sein, damit das Business konkurrenzfähig ist?“ statt. An der Konferenz haben Vertreter aller Bereiche teilgenommen, die vom Thema angesprochen sind. Im Vordergrund stand die Frage, was das Business von der Bildung erwartet und wie diese Erwartungen Teil des Bildungsprogramms der Hochschulen werden können.
Die Ausgangslage
Wie sehen die Fakten aus? Vom Standpunkt des Business aus sieht es folgendermaßen aus: Das Business in Bulgarien sucht hochqualifiziertes Personal, das seinen Bedürfnissen entsprechen sollte. Das stellt sich jedoch als problematisch heraus. Entweder finden Unternehmen das gesuchte Personal nicht oder sie sind mit der Vorbereitung der Bewerber nicht zufrieden. Manche Unternehmen machen Kompromisse und verfügen dann über ein nicht genügend qualifiziertes Personal, das zu ihrer Prosperität und Entwicklung nicht beitragen kann. Andere investieren Geld und Zeit in das eingestellte Personal, um die Leere zu füllen, die die Hochschulbildung gelassen hat.
Auf der anderen Seite der Barrikade befindet sich die Hochschulbildung. Diese ihrerseits ist unzufrieden mit der Tatsache, dass der Geschäftssektor ihr nicht klar und deutlich Bescheid gibt, was für Personal dieser braucht bzw. in fünf Jahren brauchen wird, damit diese Hochschulfächer und –programme so verändern und anpassen kann, dass der Geschäftssektor letzten Endes zufrieden ist. Dazu kommt noch die Passivität der Hochschulen, die sich darin äußert, dass sich diese nur auf Staatssubventionen verlassen und sich nicht die Mühe geben, Finanzierung aus zusätzlichen Quellen zu suchen. Stattdessen versuchen sie eine bestimmte Anzahl an Studenten zu erreichen, auf die die Höhe der Staatssubventionen angewiesen ist. Infolgedessen beobachtet man in Bulgarien heute eine „Bildungsherstellung“ am Fließband nach dem Motto Quantität auf Kosten der Qualität.
Problemdarlegung
Auf der Konferenz wurde das aktualisierte Rating-System der Hochschulen in Bulgarien vorgestellt. Dieses System bietet aktuellste Daten – kategorisiert nach Berufsfeldern und Fachrichtungen – über jede einzelne Hochschule in Bulgarien: von Bewertung von Lernumgebung und –programm über Qualität der Forschung bis hin zur Berufsrealisierung der Absolventen nach Studiengängen und Fachrichtungen. Auf der Grundlage dieser Daten kann das Business eine klare Aussage machen und die Punkte aufzeigen, die in der Hochschulbildung zu „korrigieren“ sind, damit seine Bedürfnisse befriedigt werden. Die veröffentlichten Daten bieten unter anderem die Möglichkeit zur direkten Kommunikation zwischen Geschäftssektor und Hochschulen. Somit könnte sich die Hochschulbildung nicht mehr einzig auf den Staat verlassen, sondern aktiver auf den Geschäftssektor schauen. Dieser könnte seinerseits zu einem aktiven Teilnehmer im Prozess der „Personalerschaffung“ werden, anstatt nur passiv von der Seite zu zugucken und sich über das Endergebnis zu beschweren.
Problemlösung: Was zu tun ist
Eins steht fest: Business und Bildung sollten sich näher kommen, anstatt weit weg voneinander zu stehen und böse aufeinander zu gucken. Sie sollten sich die Hand schütteln und die Bedeutung des Wortes teamwork (‘Zusammenarbeit’) besser kennen lernen. Ansonsten fehlt es an praktischen Lösungsvorschlägen – Gott sei dank! – nicht. Diese sollten jedoch nicht im Bereich des Imaginären bleiben, sondern Umsetzung finden. Hier wird nur kurz auf einige davon eingegangen.
Ein vernünftiger Vorschlag scheint der Wechsel des Management-Modells an Hochschulen zu sein. Dies bedeutet an erster Stelle, dass das akademische Management von dem Finanzmanagement getrennt wird. (Momentan ist es so, dass alle Entscheidungen vom Rektor bzw. von Akademikern, die am Hochschulrat teilnehmen, getroffen werden.) Im Rahmen des Finanzmanagements sollte es dann Menschen geben, deren Hauptbeschäftigung die Kontaktaufnahme bzw. Kontakthaltung zum Geschäftssektor ist.
Der zweite Vorschlag bezieht sich auf das Bildungssystem in Bulgarien generell. Das Bildungssystem sollte so verändert werden, dass es kritisch denkende, analysierende und flexible Menschen erschafft, die über die so genannten soft-skills verfügen – das heißt, Menschen, die über eine Grundlage, ein Grundrüstzeug von theoretischem Wissen und praktischen Fähigkeiten verfügen, die ihnen erlauben würden, auf dem sich schnell verändernden Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das Modell, das zur Zeit im bulgarischen Bildungssystem herrscht, charakterisiert sich eher durch jede Menge enzyklopädischer Fakten, die sich Schüler und Studenten merken und auswendig können müssen, wobei das analytische Denken eher im Hintergrund steht. Stattdessen sollte Lernenden die Fähigkeit beigebracht werden zu argumentieren, kritisch zu denken und Probleme zu analysieren.
Ein weiterer Verbesserungsvorschlag bezieht sich auf die berufliche Bildung. Der Eingriff sollte hier von zwei Seiten kommen – einerseits vom Bildungsministerium, andererseits vom Geschäftssektor. Das Business sollte klar stellen, was für Personal gebraucht wird. Dabei muss vor allem die Frage geklärt werden, über welche Fähigkeiten und welches Wissen Berufseinsteiger verfügen müssen, um eingestellt zu werden. Das Bildungsministerium sollte dann – in Zusammenarbeit mit dem Geschäftssektor – die Lehrprogramme und –gänge so verändern, dass diese den schon geklärten Bedürfnissen von Unternehmen und Firmen entsprechen.
So einfach ist das!
Einfach ist es erst dann nicht, wenn die Betroffenen in dieser Situation aufeinander nicht zuhören, Zusammenarbeit als Schlüsselelement bei Problemlösungen ablehnen und kein Interesse an den eigenen Problemen zeigen. Denn sowohl Bildung als auch Business müssen endlich anerkennen, dass die aktuelle Situation ihnen selbst schadet.